Ein Abkommen verändert mehr als nur Handel
Am 1. Januar 1994 trat das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA zwischen Mexiko, den Vereinigten Staaten und Kanada in Kraft – ein wirtschaftspolitischer Einschnitt, der bis heute die mexikanische Gesellschaft prägt. Die Idee war damals simpel: Grenzen öffnen, Zölle senken, Handel ankurbeln. Was allerdings kaum jemand öffentlich diskutierte, war der Einfluss auf Alltagskultur und Ernährung. Heute, mehr als drei Jahrzehnte später, zeigt sich deutlich: Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA hat sich massiv gewandelt – und nicht zum Guten.
Während mexikanische Exporte in die USA explodierten, besonders im Bereich der verarbeitenden Industrie, kam es gleichzeitig zu einer regelrechten Invasion industriell gefertigter Nahrungsmittel aus dem Norden. Was vorher nur in Touristenläden in Cancún zu finden war, wurde auf einmal landesweit verfügbar: gezuckerte Frühstückscerealien, Softdrinks in XXL-Flaschen, abgepackte Fertiggerichte, Tiefkühlpizza, Chips, Hamburgerbrötchen und Light-Produkte. Nicht nur die Produktvielfalt änderte sich – sondern das gesamte Essverhalten.

Von Mais und Bohnen zu Zucker und Fett
Traditionell galt die mexikanische Küche als eine der nährstoffreichsten der Welt. Die Basis bestand aus frischen Zutaten wie Tomaten, Chilis, Zwiebeln, Avocados, Mais, Limetten und einer Vielzahl an Kräutern. Bohnen lieferten hochwertiges pflanzliches Eiweiß, und der selbstgemachte Tortilla-Teig war frei von Zusatzstoffen. In ländlichen Regionen war diese Art zu essen nicht nur gesund, sondern auch wirtschaftlich – man aß, was vor Ort wuchs.
Doch mit NAFTA wurde Mexiko zu einem der größten Abnehmer amerikanischer Agrarüberschüsse – insbesondere von hochsubventioniertem, gentechnisch verändertem Mais aus den USA. Dieser Mais drückte nicht nur die Preise auf dem mexikanischen Markt, sondern verdrängte auch zunehmend den einheimischen, nährstoffreicheren Criollo-Mais. Der US-Mais wurde zur Basis für die Massenproduktion von Industrie-Tortillas, billigen Snacks und stark verarbeiteten Lebensmitteln.
Gleichzeitig änderte sich das Bild in den Städten: Fast-Food-Ketten wie McDonald’s, KFC oder Pizza Hut expandierten aggressiv. In Supermärkten verdrängten importierte Fertigprodukte lokale Erzeugnisse. Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA wandelte sich innerhalb weniger Jahre – von traditioneller Hausmannskost hin zu industrialisierten Kalorienbomben. Und die Folgen ließen nicht lange auf sich warten.
Ein boomender Markt mit gesundheitlichem Preis
Die ersten Jahre nach der Marktöffnung galten als wirtschaftlich erfolgreich. Doch gesundheitlich kippte das Bild schnell. Der Konsum von Softdrinks schoss in die Höhe: Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation gehört Mexiko heute zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an zuckerhaltigen Erfrischungsgetränken weltweit – mit schwerwiegenden Folgen. Diabetes mellitus Typ 2 wurde zur Volkskrankheit. Zwischen 2000 und 2016 hat sich die Zahl der diagnostizierten Fälle verdoppelt. Auch Übergewicht nahm drastisch zu: Nach Angaben des Mexikanischen Gesundheitsministeriums leiden heute über 70 % der Erwachsenen in Mexiko an Übergewicht oder Fettleibigkeit – bei Kindern sind es bereits mehr als ein Drittel. (Quelle: Ärzteblatt.de)
Diese Entwicklung ist kein Zufall. Sie ist eine direkte Folge der veränderten Ernährung in Mexiko seit NAFTA. US-Konzerne wie PepsiCo, Nestlé und Coca-Cola investierten Milliarden in die Expansion nach Mexiko, wie auch die Deutsche Welle in einer ausführlichen Analyse dokumentierte. (Quelle: dw.com) Sie drangen nicht nur in den urbanen Raum, sondern auch in entlegene Dörfer vor, wo sie lokale Händler durch aggressive Preisstrategien vom Markt drängten.

Der Verlust kulinarischer Identität
Neben den gesundheitlichen Folgen hat der Wandel auch kulturelle Spuren hinterlassen. Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA ist nicht mehr Ausdruck regionaler Vielfalt, sondern wird zunehmend standardisiert. Wo früher jede Region ihre eigenen Gerichte, Zutaten und Zubereitungsarten pflegte, orientieren sich heute viele Menschen an einem durch Werbung geprägten Ideal: schnell, billig, bequem.
Das Ergebnis ist eine Entfremdung von der eigenen Ernährungskultur. Viele Kinder wachsen heute mit süßen Cornflakes, Schokodrinks und frittierten Snacks auf, ohne jemals eine selbstgemachte Tortilla aus nixtamalisiertem Mais gekostet zu haben. Zahlreiche Organisationen versuchen, dem entgegenzuwirken – etwa durch Bildungsprogramme, nachhaltige Landwirtschaft oder lokale Ernährungsinitiativen. Doch gegen die milliardenschweren Marketingbudgets der globalen Konzerne ist das ein zäher Kampf.
In einem Artikel von Geo.de wird auf die sozialen und kulturellen Auswirkungen dieses Wandels ausführlich eingegangen. Dort heißt es, dass mit der Industrialisierung der Ernährung auch ein Stück Selbstbestimmung verloren ging. (Quelle: geo.de)
Der unsichtbare Umbau – Wie NAFTA das Ernährungssystem unterwanderte
Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA ist das Resultat einer leisen, aber tiefgreifenden Umstrukturierung, die viele Menschen erst Jahre später als solche wahrgenommen haben. Als das Abkommen 1994 in Kraft trat, ging es offiziell um Freihandel, Wirtschaftswachstum und Integration in den nordamerikanischen Markt. Doch im Schatten dieser großen Worte veränderte sich etwas sehr Elementares: das, was die Menschen in Mexiko täglich essen – und wie sie es essen.
Der Vormarsch der US-Agrarkonzerne
Mit dem Wegfall von Zöllen strömten Unmengen an stark subventionierten Agrarprodukten aus den USA nach Mexiko. Vor allem Mais – ein Grundnahrungsmittel der mexikanischen Küche – wurde in Massen importiert. Die amerikanischen Maisbauern, unterstützt von großzügigen US-Subventionen, konnten ihre Produkte zu Preisen anbieten, mit denen mexikanische Kleinbauern nicht konkurrieren konnten. Der traditionelle criollo-Mais wurde verdrängt – sowohl vom Markt als auch aus der Alltagsküche. Ein ausführlicher Artikel auf lunapark21.net zeigt, wie diese Entwicklung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell eine Enteignung bedeutete.
Mexiko wandelte sich vom Selbstversorger zum Importland. Laut Analysen der Zeitschrift Marxistische Erneuerung importiert das Land heute über 70 % seines Reises und einen Großteil seines Weizens. Gleichzeitig stiegen die Preise für lokal produzierte Grundnahrungsmittel – während Fast Food und Convenience-Produkte aus dem Ausland günstiger und allgegenwärtiger wurden. Dieser Widerspruch ist einer der zentralen Gründe für den Wandel in der Ernährung in Mexiko seit NAFTA: Billigkalorien gewannen gegen wertvolle Lebensmittel.
Supermärkte, Softdrinks und Supersize-Portionen
Gleichzeitig drängten internationale Lebensmittelkonzerne mit voller Wucht auf den mexikanischen Markt. Ketten wie Walmart, Oxxo, 7-Eleven oder KFC dehnten sich rasend schnell aus – nicht nur in Städten, sondern auch in Dörfern, wo zuvor nur Tianguis, die traditionellen Wochenmärkte, existierten. Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA wurde zunehmend geprägt von Produkten, die nicht mehr auf frischen Zutaten basierten, sondern aus der Fabrik kamen.
Der Softdrink-Konsum ist eines der markantesten Beispiele. Mexiko ist heute weltweit führend im Pro-Kopf-Verbrauch von gezuckerten Erfrischungsgetränken. In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung wurde bereits 2016 gezeigt, dass Coca-Cola in Chiapas teilweise günstiger war als Trinkwasser. In manchen Gemeinden gibt es mehr Coke-Verkaufsstellen als Apotheken. Die Folge: alarmierende Zahlen bei Diabetes Typ 2 und Adipositas – nicht nur bei Erwachsenen, sondern zunehmend bei Kindern.

Die Strategie der Konzerne ist dabei raffiniert: Durch aggressive Werbung, Sponsorings von Schulprogrammen und direkte Einflussnahme auf öffentliche Ernährungskampagnen konnten Nestlé, PepsiCo & Co. nicht nur Produkte verkaufen, sondern auch Narrative etablieren. Viele Kinder in Mexiko wachsen heute mit dem Glauben auf, dass ein „guter Tag“ mit einem gezuckerten Joghurt, einem gesüßten Cerealienriegel und einem Liter Soda beginnt.
Werbung verdrängt Wissen
Eine der dramatischsten Folgen des NAFTA-Einflusses auf die Ernährung in Mexiko ist der Verlust an Ernährungsbildung. Jahrzehntelang wurden Lebensmittel in Familien zubereitet – man wusste, was man isst. Heute stammen immer mehr Mahlzeiten aus Verpackungen. Ein Bericht auf Geo.de schildert, wie viele Familien nicht mehr selbst kochen, sondern komplett auf Fertiggerichte umgestiegen sind. Das Wissen über Zutaten, Zubereitung und Nährwert geht damit schleichend verloren.
Zugleich wird über Medien, insbesondere Fernsehen und Social Media, ein westlich-amerikanisches Schönheits- und Lebensideal propagiert, das in krassem Gegensatz zur Realität steht. Während Fettleibigkeit zu einem flächendeckenden Gesundheitsproblem geworden ist, zeigt die Werbung schlanke Körper, schnellen Konsum, perfekte Lebensfreude – vermittelt durch künstlich aromatisierte Chips und gesüßte Getränke.
Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA ist damit auch ein Spiegel des wachsenden Widerspruchs zwischen Konsumverhalten und Gesundheitsbewusstsein – zwischen Werbeversprechen und körperlicher Realität. Wer heute gesund essen will, muss oft mehr zahlen, besser informiert sein und sich bewusst gegen die günstigen Versuchungen der Supermärkte entscheiden.
Erste Gegenbewegungen: Zuckersteuer und Schulverbote
Immerhin hat die mexikanische Regierung auf die Krise reagiert. 2014 wurde eine landesweite Zuckersteuer eingeführt – 1 Peso pro Liter Softdrink. Das führte laut der Wikipedia-Zusammenfassung zur Zuckersteuer zu einem kurzfristigen Rückgang des Konsums, vor allem in ärmeren Bevölkerungsgruppen. Auch wurden Softdrinks und Snacks aus vielen Schulen verbannt. Doch diese Maßnahmen bleiben ein Tropfen auf den heißen Stein, solange Konzerne ungestört weiter expandieren und Werbung machen dürfen.
Der strukturelle Wandel, der durch NAFTA ausgelöst wurde, ist tief – und nicht umkehrbar ohne massive politische Intervention. Viele Experten fordern mittlerweile ein grundlegendes Umdenken in der Ernährungspolitik Mexikos. Neben gesundheitlichen Aspekten geht es auch um Souveränität: Die Kontrolle über das, was ein Volk isst, ist letztlich auch Kontrolle über seine Zukunft.
Fazit: Der Preis des Freihandels – Was Mexiko heute isst, ist kein Zufall
Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA ist das vielleicht unterschätzteste Beispiel dafür, wie wirtschaftspolitische Entscheidungen tief in die Lebensrealität eingreifen. Was als Freihandel verkauft wurde, brachte nicht nur Arbeitsplätze und Exporte, sondern auch einen dramatischen Verlust an Ernährungssouveränität, gesundheitlicher Stabilität und kultureller Identität.
Mexiko ist heute eines der Länder mit den höchsten Raten an Übergewicht, Diabetes und ernährungsbedingten Krankheiten. Diese Entwicklung ist kein Versagen individueller Disziplin, sondern das Resultat systemischer Veränderung. Ein Blick auf die Supermarktregale, die Schulhöfe, die Fernsehwerbung – all das zeigt: Die Ernährung in Mexiko seit NAFTA wurde nicht zufällig schlechter, sondern aktiv umgebaut.
Trotz erster Gegenbewegungen wie der Zuckersteuer oder schulischen Snack-Verboten ist der Einfluss globaler Konzerne weiterhin massiv. Und solange Billigimporte, aggressive Marketingkampagnen und mangelnde Ernährungserziehung dominieren, bleibt der Weg zurück zur gesunden, eigenständigen Ernährung steinig. Hoffnung machen nur lokale Initiativen, Bildungskampagnen und Verbraucher, die sich bewusst für regionale Produkte entscheiden – wie sie z. B. auch auf Mexidom im Kontext der Selbstversorgung thematisiert werden.
Gerade in Hochlandregionen mit idealem Anbauklima setzen immer mehr Familien wieder auf traditionelle, naturbelassene Ernährung – abseits der industriellen Massenware. Der Wiederaufbau beginnt klein, aber er beginnt.
Auch die Rückbesinnung auf Höhenlagen mit gesundem Klima und nachhaltigen Landkauf zeigt: Ernährung ist mehr als Kalorienzufuhr – sie ist eine Lebenshaltung.
Wer wirklich verstehen will, wie tiefgreifend NAFTA Mexiko verändert hat, sollte nicht nur auf Exportzahlen schauen, sondern in die Kühlschränke der Menschen – und in deren Blutwerte. Denn was gegessen wird, entscheidet langfristig über die Gesundheit einer Nation.